Bist Du (noch) der Komposthaufen oder (schon) die Komposterde

oder: Zertifizierung versus Qualifizierung

Kennst Du Therapeuten, die Ihre Wände mit Zertifikaten, Bescheinigungen, Urkunden u.ä. tapezieren? Oder die in ihren Onlineprofilen zig Kurse und Ausbildungen auflisten? Sind diese Therapeuten deutlich erfolgreicher als jene, die vielleicht nur eine Urkunde in einer Ecke hängen haben oder sogar gar keine?

Was ist wirklich wichtig, um als Therapeut erfolgreich zu sein, also das Leid der Patienten zu lindern oder zu lösen? Die Patienten kommen ja nicht, um die Urkunden zu bewundern, sondern um geheilt zu werden.

Für mich ist ein zentrales Merkmal: die Erfahrung.

Die Begriffe in der Überschrift „Komposthaufen“ und „Komposterde“ beschreiben für mich bildhaft die Gegensätze „Wand voller Zertifikate“ und „Erfahrung“. Oder anders gesagt: „Zertifizierung“ und „Qualifizierung“.

Was ist der Unterschied zwischen einem Komposthaufen und der Komposterde? Der Komposthaufen ist die Rohform, der Ursprung, das Ausgangsmaterial für die Komposterde. Im Komposthaufen sind noch alle Einzelkomponenten erkennbar: Blätter, Küchenabfälle von Obst und Gemüse, Grasschnitt und sonstige pflanzliche Gartenabfälle. Auf die therapeutische Arbeit übertragen entsprechen diese Rohstoffe den Ausbildungen, Kursen u.ä. sowie speziellen Ereignisse in unserem Leben.

Komposterde entsteht, wenn die Bestandteile des Komposthaufens „reifen“, d.h. sie werden durch Tiere (Regenwürmer, Asseln, …), Pilze und Bakterien zerlegt, verdaut und neu zusammengefügt. In der gereiften Erde ist dann nicht mehr erkennbar, woraus diese entstanden ist. Erst dann hat sie die gewünschte Wirkung wie Nährstoffzufuhr, Bodenlockerung, Wasserspeicher u.ä. Um in dem Bild zu bleiben, bedeutet das für mich, dass wir alle Ausbildungen u.ä., die wir in unserem Leben gemacht haben, zunächst verdauen müssen, bis wir und andere wirklich einen Nutzen davon haben. Das angeeignete Wissen muss angewendet und in gelebte Erfahrung umgesetzt werden, sonst ist es nutzlos. In gewisser Weise könnte man auch sagen, die Zertifikate müssen „Fleisch werden“.

Nicht das Stück Papier an der Wand heilt, sondern immer noch der Mensch. Nicht der Abschluss einer Ausbildung macht mich zu einem „guten“ Therapeuten, sondern die Anwendung, die Integration und Verbindung mit meinen sonstigen persönlichen Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe. Erst durch diesen unsichtbaren und individuellen Reifungsprozess entwickeln sich jene Fähigkeiten, die einen erfolgreichen Therapeuten kennzeichnen. Dafür gibt es aber keine Urkunde, die an die Wand gehängt werden kann. Dann geht es nur noch um Wirkung, um das, was ist, nicht um das, was theoretisch sein sollte oder sein könnte.

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